mercredi 10 novembre 2021

Die Saison in Kissingen 1864 : Sisi, Max in Bayern, Ludwig II., Kaiser und Kaiserin von Rußland und Tochter


Kaiserin von Oesterreich — Herzog Max in Bayern

König Ludwig II. von Baiern — Kaiserin von Rußland

Ein Artikel in der Illustrirte Zeitung, 30. Juli 1864

Die Saison in Kissingen 1864. 

Kissingen, den 2. Juli.
    Gnädige Frau!

    Wenn ich mir heute besonders klein und ohnmächtig vorkomme, so mag es die Lage entschuldigen, in der ich mich befinde. Es ist keine Kleinigkeit für einen loyalen Menschen, unter den ersten gekrönten Häuptern umherzuspazieren und nicht die Contenance zu verlieren; diejenigen in nächster Nähe betrachten zu dürfen, die wir armen Sterblichen sonst nur gewohnt sind in flüchtigen Augenblicken, oder in respectvoller Entfernung aus zu sehen. Von ähnlichen Gefühlen scheint auch Kissingen in dieser Saison durchdrungen zu sein, das sich durch seine fürstlichen Curgäste weit über die anderen Bäder ge- hoben und von seinen Schwestern mit Blicken des Neides betrachtet sieht. 
    Schon – Verzeihung für den unpoetischen Namen, mit dem ich Ihr Ohr sogleich beleidigen werde – schon in Schweinfurt hörte ich, Kissingen sei so überfüllt, daß schwer eine Wohnung zu bekommen sei. Doch wo Zehntausend Raum haben, kommt auch Zehntausend und Eins unter, und ich fuhr wohlgemuth dem lieblichen Saalthal zu, dessen weltberühmter Curort mir bald seine Wunder eröffnen sollte. Bereits früh 6 Uhr füllten sich die ſchattigen Laubgänge des Curgartens. Aus dem dunkeln Grün tauchten weiße, duftige Gewänder oder verhüllte Gestalten, alle einem gemeinsamen Ziele zueilend, dem Rakoczi oder der Pandurquelle, deren segenspendende Wasser in elegante Bassins gefaßt und von einem prachtvollen gußeisernen Pavillon überwölbt sind. Einer trinkt kalt, der andere erwärmt sein Glas in heißem Wasser, man braucht auch Molken, wünscht sich „guten Morgen,“ kokettirt, chicanirt, ennuyirt sich oder affectirt einen Himmel rosenfarbenſter Laune – genau so wie in allen Bädern, dieselben Gebräuche, dieselben Gewohnheiten und Thorheiten. Ich sehe viele empfindsame Damen, viel Hysterie, aber ebenso viel Vollblütigkeit, eingebildet und wahrhaft Kranke, Männer mit gelben Gesichtern und sauern Mienen, die, ich weiß nicht, eine Folge vom genossenen „Säuerling“ oder von der Schneiderrechnung der theuern Frau Gemahlin sein mögen. „Guten Morgen, meine Gnädige, wohl geruht?“ „Ich danke.“ „Was gedenken Sie für heute vorzunehmen, Wagen oder Eselspartie?“ „Der Abwechselung wegen wollen wir heute fahren.“ „Und ich werde, wie gewöhnlich, ein paar Robber spielen, denn auf das Wetter ist ohnehin kein Verlaß. Da hier sehen wir die grauen Wolken, 's ist abscheulich– à propos– gestern erschien die Kaiserin den ganzen Tag nicht, sie muß also heute ––“ dieses interessante Brunnengespräch wurde von dem Erscheinen der russischen Herrschaften unterbrochen, die langsam die Hauptallee heraufkamen, und zu denen sich alsbald die Kaiserin von Oeſterreich, in Begleitung ihres Bruders und ihres Vaters, des Herzogs Max und der jugendliche König von Baiern gesellten. Herzliches Einver- nehmen, behagliches Sichgehenlassen, verbunden mit jener anspruchsloſen Würde, die Personen von wirklicher Machtstellung eigen, kennzeichnete die Gruppe, welche von nun an die Situation zu beherrschen schien. 
    Sowol der äußern Erscheinung nach, ich meine hier die eben so reiche wie gewählte Toilette, als der angeborenen Grazie, verbunden mit süddeutscher Liebenswürdigkeit, bildet die Kaiserin von Oesterreich den Brennpunkt dieses auserwählten Cirkels. Die feine ebenmäßige Gestalt, dieses Antlitz voll milden Ernst, mit einem leisen Anflug von Melancholie, geben ein Ganzes, das bedeutend und hervorragend genannt werden dürfte, wäre die Trägerin so glücklicher Vorzüge auch nicht Elisabeth von Oesterreich. Im vollkommenſten Gegenſatz zu dieſem Typus weiblicher Anmuth tritt uns Kaiser Alexander von Rußland entgegen, als ein Mann von imponirendem Wesen, von Ruhe und Gemessenheit. Es liegt etwas Abgeschloſſenes, Alleinstehendes in dieser Persönlichkeit, welche zu herrschen gewohnt ist und sich der Regierunasſorgen nur auf Augenblicke zu entäußern scheint. Selten weicht sein treuer Begleiter, der vielgenannte sinnländische Hund „Tiras“, von seiner Seite, und wenn einmal, bewachen den „Herren“ die scharfen Augen der beiden herkulischen Tcherkessen, ohne welche der Zar selten zu sehen ist. Die Kaiserin, seine Gemahlin, können wir nicht ohne Theilnahme betrachten. Sie scheint leidend und der Blick ihres sanften Auges überfliegt nur ein Lächeln, wenn er auf den jugendkräftigen Gestalten der Großfürstinnen weilt. Häufig sieht man die hohe Frau im Gespräch mit Ludwig dem Zweiten von Baiern, der, als König des Landes, auf die liebenswürdigste Weise die Rolle eines Wirthes übernommen zu haben scheint, der Alles aufbietet, seinen Gästen den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. 
    Es ist heute kein Raum mehr, der nichtfürstlichen Curgäste Kissingens weder in Bild noch in Wort zu gedenken. Erlauben Sie mir dies in einer der nächsten Nummern der Zeitung nachzuholen, um unsere Saisonskizze zum Abschluß zu bringen. Ich werde nach Pflicht und Gewissen der Perſönlichkeiten, der Toiletten, der ephemeren Erscheinungen gedenken, die vereint wirkend, die interessanteste Staffage zu der Hauptgruppe bildeten, welche Kissingen einen Glanz verlieh, den der Herr Badecommissar sicher mit goldenen Lettern in sein Hauptbuch verzeichnen wird. 
Achtungsvoll der Ihrige 
Herbert König.

Aucun commentaire:

Enregistrer un commentaire

La Sylphide dans la version de Pierre Lacotte au Ballet d'État de Bavière — Quatrième partie

Maria Taglioni (1804-84) in  La Sylphide, Souvenir d'Adieu  (6 lithographies d'Alfred-Édouard Chalon, 1845) Nous poursuivons notre e...