Mein Film,1926, Heft 34
Julius Zatonyi — Kronprinz Rudolf |
Noch immer, fast 38 Jahre seit dem
Ereignis, das Europas Herrscherhäuser
und eine ganze Welt alarmierte und
Trauer in das Haus Habsburg trug, ist
nichts Genaues über den Sachverhalt
der Tragödie von Mayerling bekannt geworden. Zur Zeit des Geschehens haben
der Kaiser und die Hofmänner alle
Spuren verwischt, die zur Aufklärung
der Tat hätten führen können. Und in
einer Truhe sollen heute noch die Dokumente verschlossen liegen, die wenigstens Aufschluß geben über die inner-politischen Umstände, die außer der
traurigen Liebesaffäre den Kronprinzen
von Österreich in den Tod getrieben
haben. Der alte Kaiser entschied, daß
erst fünfzig Jahre nach dem Drama von
Mayerling, also etwa im Jahre 1939, dies
Geheimarchiv geöffnet werden solle, das
vielleicht dann das Geheimnis von
Mayerling entschleiern wird... Die
große Tragödie des Weltkrieges hat
uns die kleineren vergessen gemacht.
Nur hin und wieder erinnert ein Memoirenbuch, ein Theaterstück, ein Film
wieder an die Tragödie des Kaiser
sohnes ...
Ein Kranz von Legenden wand sich
um die Person dieses Prinzen, um sein
Leben und um sein Sterben. Und tausende von mehr unberufenen als berufenen Schreibern haben versucht, die
Ursachen des tragischen Endes eines
Kronprinzen, auf dessen freiheitliches
Wesen und Denken ein unter „konsti
tutionelle Verfassung“ gebeugtes Volk
seine Hoffnungen setzte, zu erklären und
mehr oder minder kühne Schlußfolgerungen glaubhaft zu machen. Diese
Memoirenschreiber, Schriftsteller und
..Dichter“ haben viel gesündigt. Denn sie schufen zumeist aus dem
„Stoff“, den das Leben und
das traurige Erleben des
Kronprinzen Rudolf bot,
Schauermärchen und verlogene Geschichten, „Fünf-
Kreuzer“-Romane und „Dra-men“, die das Haarsträubendste an Kitsch boten, das
nur geboten werden kann.
Auch die Bühne und der
Film haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten dieser
Verkitschung eines historisch unhistorischen Vorfalls
schuldig gemacht, Und man
hat an solchen „Werken“
nichts verloren, die aus
Gründen des Einspruches
der Familie Habsburg von
der Zensur verboten worden
waren. Die Aufhebung der
Zensur in Österreich hat
nun die Möglichkeit der
Aufführung von Werken
geschaffen, in denen die Person des Kronprinzen eine
Rolle spielt. Man hat davon
Gebrauch gemacht, wenn
auch glücklicherweise nicht in allzu ausgedehntem
Maße. Das Publikum ist also
dem Kitsch vielfach ent
ronnen. Die seinerzeitige
Inhibierung nur eines
großen Film Werkes, das die
Tragödie des Kronprinzen Rudolf zur
Handlung hat, mußte als bedauerlich
empfunden werden: die des künstlerisch
und literarisch wertvollen Films ,.Der
Prinz der Legende“, den der bekannte Regisseur Alexander Korda inszeniert hat. Dieser Film ist schon rein
äußerlich zu den modernen und mit vor
nehm künstlerischem Sinn geschaffenen
Werken zu zählen. Phototechnik und
Architektur stehen auf der Höhe ihrer
Leistungsfähigkeit, trotzdem der Film
nicht von heute stammt. Und dazu er
scheint ein Ensemble vereinigt, das
durchwegs aus hervorragenden Darstellern besteht.
Allein um der Figur der Baroneß
Vetsera willen, aus der Maria Corda eine Erscheinung voll Liebreiz und Beseeltheit macht, ist dieser Film höchst zu
werten. Und wie Julius Zatonyi, der
ungarische Schauspieler, die Gestalt des
Kronprinzen zeichnet, beweist, daß der
„Prinz der Legende“ keine Kitschfigur
sein und nicht durch Tränendrüsen reizen
des falsches Sentimentalitätsbeiwerk um
jeden Preis sympathisch gemacht werden muß. Es gibt keine Episode in diesem Film, die nicht von der Kunst
bester Schauspieler— wie Olga Liraffurg, Werner Schott, Wilhelm
Diogelmann, Hans Brausewetter, Louis Ralph u. a.— veredelt
wird.
Überdies hat einer der geistreichsten
Romanciers und Dramatiker Ungarns,
Ludwig Biro, das Buch zu diesem
Film geschrieben. Er hat aus einem
individuellen Schicksal ein allgemein
gültiges geformt. Er hat nicht illustrierte
Chronik mit Daten und Jahreszahlen,
sondern im Grunde zeitloses Ereignis,
die Tragödie einer Liebe und die Tragödie eines begabten, zu höheren Zielen
strebenden Menschen, der herrschenden
starren Gesetzen geopfert wird, zum
Filmstoff gestaltet.
Noch weiß man nicht, wie sich die
Tragödie von Mayerling in Wahrheit
abspielte... Ob Kronprinz Rudolf selbst
Hand an sich legte, nachdem er vorher
seine Geliebte getötet. Oder ob der
Kronprinz das Opfer von Rächern geworden. Oder ob einverständlicher Doppelselbstmord vorlag. Auch ist das
Motiv der Tat noch nicht geklärt. Die
einen wollen wissen, daß Rudolf sich
aus Gram über das Treiben der
Kamarilla den Tod gab und die un
glückliche Liebe nur seinen Entschluß
befestigte. Die anderen meinen, Rudolf
habe in Geistesverwirrung gehandelt.
Andere wieder sind der Ansicht, der
Kronprinz sei von seiner Geliebten zum
Selbstmord getrieben worden...
Der Autor des Films hat logischer
Begründung Raum gegeben: Rudolf, in
die Enge getrieben, stirbt als ein Verzweifelter, als ein dieses Lebens, dem
er seelisch nicht gewachsen war, Müder.
Durch eigene Hand. Und diese Lösung
mag wohl auch der Wirklichkeit am
nächsten kommen.
Jedenfalls ist dieser Film, „Der Prinz
der Legende“, ein Werk, das auf Sensation verzichtet, und das in schönen,
stimmungsvollen Bildern schlicht und
leidenschaftslos die Geschichte eines
unglücklichen Prinzen erzählt.
Maria Corda — Baroness Vetsera |
Grazer Tagblatt, 30. Oktober 1924.
„Der Prinz der Legende." Die Korda-Filmgesellschaf Wien-Berlin brachte Mittwoch im Ringkino vor geladenen Gästen ein das Mayerlingdrama behandelndes
Filmwerk, „Der Prinz der Legende", zur österreichischen
Uraufführung. Vom historischen Standpunkt aus dürfte
die Handlung des Films wohl nicht unter die Lupe der
Kritik genommen werden. Die Verschleierungen und Namensverhüllungen werden unter Gänsefüßchen gestellt
und mit „Legende" und „Absicht" entschuldigt. So heißt
der Kronprinz Rudolf in diesem Film „Prinz Richard"
und der Name der Baronesse Vetsera ist in „Arestev" umgespiegelt. Diese Namenänderungen dürften Wohl nicht
vom Regisseur, sondern von der Zensur veranlaßt worden
sein. Da aber im Österreicher das Wissen um die tatsächlich dahintersteckenden Personen zur Genüge vorhanden
ist, war es wohl überflüssig, diese juristischen Enthebungskarten auszuspielen. Die Aufmachung des altösterreichischen Hofes mit seinem Gepränge ist vorzüglich gelungen:
die Aufnahmen fanden in den prächtigen Sälen der Wiener Hofburg und des Schönbrunner Schlosses statt. Von
den Darstellern verdienen die des Kronprinzen Rudolf und
des Erzherzog Johann an erster Stelle genannt zu werden. Mit der Maske des Kaiser Franz Josef findet man sich schließlich auch ab, nicht aber mit seinem Spiel. Die
Rolle der Vetsera war nicht glücklich besetzt. Die Handlung ist geschickt auf Spannungen ausgearbeitet und ans
jeden Fall sehr interessant.
Rodolphe. Les textes de Mayerling
Les diverses versions du drame de Mayerling sont présentées dans le recueil Rodolphe. Les textes de Mayerling (BoD, 2020).
Suicide, meurtre ou complot ? Depuis plus de 130 années, le drame de Mayerling fascine et enflamme les imaginations, et a fait couler beaucoup d'encre. C'est un peu de cette encre que nous avons orpaillée ici dans les fleuves de la mémoire : des textes pour la plupart oubliés qui présentent différentes interprétations d'une tragédie sur laquelle, malgré les annonces répétées d'une vérité historique définitive, continue de planer le doute.
Comment s'est constituée la légende de Mayerling? Les points de vue et les arguments s'affrontent dans ces récits qui relèvent de différents genres littéraires : souvenirs de princesses appartenant au premier cercle impérial, dialogue politique, roman historique, roman d'espionnage, articles de presse, tous ces textes ont contribué à la constitution d'une des grandes énigmes de l'histoire.
Le recueil réunit des récits publiés entre 1889 et 1932 sur le drame de Mayerling, dont voici les dates et les auteurs :
1889 Les articles du Figaro
1899 Princesse Odescalchi
1900 Arthur Savaète
1902 Adolphe Aderer
1905 Henri de Weindel
1910 Jean de Bonnefon
1916 Augustin Marguillier
1917 Henry Ferrare
1921 Princesse Louise de Belgique
1922 Dr Augustin Cabanès
1930 Gabriel Bernard
1932 Princesse Nora Fugger
Le dernier récit, celui de la princesse Fugger, amie de la soeur de Mary Vetsera, est pour la première fois publié en traduction française. Il n'était jusqu'ici accessible qu'en allemand et en traduction anglaise.
Luc-Henri Roger, Rodolphe. Les textes de Mayerling, BoD, 2020. En version papier ou ebook.
Commande en ligne chez l'éditeur, sur des sites comme la Fnac, le Furet du nord, Decitre, Amazon, Hugendubel, etc. ou via votre libraire (ISBN 978-2-322-24137-8).
In Italia via Amazon.it
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