mardi 17 août 2021

Der einzige Brief von Peter Cornelius an den König Ludwig II. von Bayern. (1864)

Der Mainzer Komponist und Dichter Peter Cornelius(1824-1874) nahm 1859 zum Anlass nach Wien zu gehen, wo er Richard Wagner kennenlernte. „Sinnige und milde Begrenzung und Befestigung des von Wagner in seiner besten Zeit Errungenen“ war laut eigenem Bekunden sein Ziel.
1865 folgte Peter Cornelius Wagner nach München, wo ihm König Ludwig zunächst einen „Ehrensold“ von 1000, später 1800 Gulden gewährte. An der 1867 errichteten Musikhochschule in München wurde er Lehrer für Rhetorik und Harmonielehre.

Ein unbekannter Brief von Peter Cornelius an den König Ludwig II. von Bayern.

Mitgeteilt von Carl Maria Cornelius, München. Veröffentlicht in der Neue Zeitschrift für Musik, Leipzig, Juli 1939.

In Folgendem veröffentliche ich aus den Beständen des ehemaligen kgl. bayrischen  Kabinettsarchivs den einzigen Brief, den Peter Cornelius an König Ludwig II. gerichtet hat, und zwar als Erwiderung auf seine Berufung nach München. Diese war zunächst privater Natur. Richard Wagner hatte es übernommen, an Cornelius, der sich in Wien befand, zu schreiben. Sein Brief aus München vom 8. Oktober 1864 lautete folgendermaßen: „Lieber Peter! Im besonderen Aufträge Seiner Majeftät des Königs Ludwig II. von Bayern habe ich Dich aufzufordem, so bald Du kannst, nach München überzusiedeln, dort Deiner Kunst zu leben, der besonderen Aufträge des Königs gewärtig und mir, Deinem Freunde, als Freund behülflich zu fein. Dir ift vom Tage Deiner Ankunft an ein jährlicher Gehalt von tausend Gulden aus der Kabinettskasse Seiner Majestät angewiesen. Von Herzen Dein Freund Richard Wagner.“ 

Sonst hatte sich Cornelius immer enthusiastifch in den Dienst der Sache seines großen Freundes gestellt und auch keine Strapazen gescheut, um ihn zu besuchen — jetzt zögerte er und schob die Abreise auf die lange Bank. Das Angewiesensein auf Wagner in amtlicher Form, das Dienstverhältnis eines Gesellfchafters und Helfers waren ihm unheimlich. Er kannte die Launenhaftigkeit und Reizbarkeit des Meisters zur Genüge und fürchtete für seinen Frieden, wie er ihn zum eigenen Schaffen brauchte. Es ist ein Höhepunkt des Kampfes für seine Unabhängigkeit, wie er sich so beweglich in seinen Briefen und Tagebüchern kundgibt. 

In dem Antwortschreiben an den König klingt etwas davon an. Eine gewisse Erregtheit ist zu bemerken. Wie schwer es ihm wird, sein geliebtes Wien zu verlassen, verschweigt Cornelius nicht; wie denn der ganze Brief ein schönes Zeugnis ist für die Zutraulichkeit und  Treuherzigkeit, mit der ein deutscher Künstler einem erhabenen König die Gefühle auseinandersetzt, die ihn bewegen. Und so dürfte er einer gewissen hiftorischen Bedeutung nicht ermangeln und den Verehrern von Cornelius zur Freude gereichen. 

Aus dem Kabinettsarchiv Ludwigs II.

Ew. Majeftät! 

Ich muß mir endlich ein Herz fallen und ein Wort von dem Dank an Ew. Majeftät richten, von dem ich ein ganzes Buch, ja ein Liederbuch im Herzen habe. Lange Tage sind nun vergangen, seitdem mir mein edler, hochverehrter Freund und Meister die freudig erschütternde Kunde sandte, daß Ew. Majeftät aus königlichem Willen mir in Kunst und Leben Förderung und Sicherung verheißen. Das zu vernehmen verletzte mich so in einen Traum, ich konnte mich gar nicht recht fallen, und noch heute, wo ich mich endlich zu diesen Worten ermutige, bin ich in einer gewaltigen Aufregung. Vierzig Jahre fast bin ich alt geworden, auf wirren Pfaden einem nur dämmernd mir vorschwebenden Ideal nachgegangen — der Weg des Künftlers ist ein so ungewisser — ich wurde je mehr ich mich der Kunst weihte umso unbrauchbarer für das Leben — die es am besten mit mir meinten, zweifelten und irrten an mir. Wie muß ich es da nicht als eine Fügung Gottes, als eine Bejahung meines innersten Strebens ansehen und preisen, daß Ew. Maj. mit einem so freundlichen Wort Ehre und Stolz meinem Leben  verleihen, dessen irdisches Dasein der Welt fall unbrauchbar scheinen mußte, dessen einzig ersehnte künstlerifche Entwicklung aber, wie eine Blüte — Zeit, Licht, Wärme, Luft brauchte. Das Wort Ew. Majeftät enthielt alle diefe belebenden Elemente. Aber als Ew. Maj. mit so segensreicher Hand unseren Meister an sich zogen, ihn mit einer Freundschaft hegten, deren beseligende Wirkung nun aus jedem Wort seiner Briefe und gewiß noch inniger aus jedem gesprochenen erklingt, als damals ein Schauer von Freude und Dank die Herzen aller seiner Freunde durchdrang, da hatte ich schon so eine dunkle Ahnung, daß auch mein Geschick von dem Gestirn des Meifters in die weiteren Kreise nachgezogen würde. Es war keine zudringliche begehrliche Hoffnung, die da in mir sprach; nein, es war sogar etwas Furcht bei der Ahnung! Heute, wo mir das Glück zuteil wird, zu einem geweihten deutschen König reden zu dürfen, und wo in der innersten Erregung Tränen wie das Feierkleid sind, was mein Gemüt dazu anlegt, darf ich Ew. Majeftät wohl sagen, es sind auch Abschiedstränen für Wien darunter. Vor sechshalb Jahren kam ich hieher aus freier Selbftbestimmung künstlerischen Wanderlebens, wo die Asche unserer großen Meister ruht — da dachte ich zu leben und zu derben, da wurd’ ich freundlich aufgenommen — da hat nun eh man weiß wie, das Herz seine Arbeit getan, der Geist auch ein Stück — und eh man sich versieht ist das Nomadenzelt faß zu einer Hütte geworden — da ist das Wandern schon ein Abreißen — ein Losreißen — von wem? von der gottlos lieben lustigen Stadt — vom Stefansturm — von ein paar lieben Menschen! Aber unter den Toten fand ich ja einen Lebenden — und so ist es recht so haben Ew. Majestät ja das rechte Wort gesagt! An seiner Bruft und an seinem Arm will ich dann froh sein, und so wird die schönfte Zeit erst noch kommen. Eine vornehme Freundin weissagte mir einst, ich würde mir einen Platz neben Wagner schaffen, wie Mehul nach Gluck. Das habe ich auf mein Banner geschrieben — so möge denn München unser Paris sein! 

Es ist schön, daß Ew. Majeftät auch einen Cornelius haben wollen! Ihr erhabener Großvater, von dessen Taten für die bildenden Künste die Steine vollauf des Lobes reden, rief meinen großen Oheim dorthin, wo ja doch immer seine eigentlichfte Heimat geblieben ist. Unter Ew. Majeftät hochseligem Vater erhielt mein Bruder Carl seinen Ruf als Historiker an Ihre kgl. Universität und Akademie, und nun Ew. Majestät Ihr Herz neben allem Schönen besonders dem unmittelbarften Anhauch des Ewigen, der göttlichen Mufik erfchloffen haben, ift grade auch noch ein Cornelius da, ein ftotternder Dolmetfch dieser himmlifchen Muse, dem aber Ew. Majeftät den Vorzug geben wollen, weil es schon fast ein Herkommen durch unvergeßlich kgl. Ahnherrn geworden ist. 

Nicht nur das Zagen zu Ew. Majeftät zu reden, mußte ich überwinden, nein auch das tiefere, das mich befallen wollte, einem so melodischen Ruf nur das zitternde Echo meines Wesens bieten zu können, aber während ich diese Zeilen schrieb, stand ich im Geiste vor Ew. Majeftät, und Sie waren so voll Huld und Güte, daß ich nun schon stolz und zuversichtlich geworden bin, und mit heiterer Seele den Segen des Himmels für ein gedeihliches Wirken im beglückenden Dienste Ew. Majeftät erflehe. Von der Stunde dieses Briefes an habe ich erst im Herzen völlig von Wien Abschied genommen und nun braucht es nur noch kurze Zeit, meine hiesigen Verhältniße zum Abschluß zu bringen um dann schon in der ersten Woche November dem Rufe Ew. Majeftät und dem Wunsche meines Meisters und Freundes Folge zu leisten. 

Dann schlägt mir auch einmal die schöne feierliche Stunde wo ich an der Hand eines Genius vor Ew. Majeftät treten darf. Er hat mich zu diesen Zeilen ermutigt, er wird mir auch dann Mut machen. 

Gott erhalte, segne und schütze Ew. Majestät! 

Mit glühenden Wünschen für Ew. Majestät Ruhm und Heil widmet sich Ew. Majeftät mit schwachen aber noch ungebrochenen Kräften Leibs und Geistes 

 Ew. Majeftät demuthsvoll
untertänigfter
Peter Cornelius.

Wien am 28. Oktober 1864. 

 

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