Der Mainzer Komponist und Dichter Peter Cornelius(1824-1874) nahm 1859 zum Anlass nach Wien zu gehen, wo er Richard Wagner kennenlernte. „Sinnige und milde Begrenzung und Befestigung des von Wagner in seiner besten Zeit Errungenen“ war laut eigenem Bekunden sein Ziel.
1865 folgte Peter Cornelius Wagner nach München, wo ihm König Ludwig zunächst einen „Ehrensold“ von 1000, später 1800 Gulden gewährte. An der 1867 errichteten Musikhochschule in München wurde er Lehrer für Rhetorik und Harmonielehre.
Ein unbekannter Brief von Peter Cornelius an den König Ludwig II. von Bayern.
Mitgeteilt von Carl Maria Cornelius, München. Veröffentlicht in der Neue Zeitschrift für Musik, Leipzig, Juli 1939.
In Folgendem veröffentliche ich aus den Beständen des ehemaligen kgl. bayrischen Kabinettsarchivs den einzigen Brief, den Peter Cornelius an König Ludwig II. gerichtet hat, und
zwar als Erwiderung auf seine Berufung nach München. Diese war zunächst privater Natur.
Richard Wagner hatte es übernommen, an Cornelius, der sich in Wien befand, zu schreiben.
Sein Brief aus München vom 8. Oktober 1864 lautete folgendermaßen: „Lieber Peter! Im besonderen Aufträge Seiner Majeftät des Königs Ludwig II. von Bayern habe ich Dich aufzufordem, so bald Du kannst, nach München überzusiedeln, dort Deiner Kunst zu leben, der
besonderen Aufträge des Königs gewärtig und mir, Deinem Freunde, als Freund behülflich
zu fein. Dir ift vom Tage Deiner Ankunft an ein jährlicher Gehalt von tausend Gulden aus
der Kabinettskasse Seiner Majestät angewiesen. Von Herzen Dein Freund Richard Wagner.“
Sonst hatte sich Cornelius immer enthusiastifch in den Dienst der Sache seines großen
Freundes gestellt und auch keine Strapazen gescheut, um ihn zu besuchen — jetzt zögerte er
und schob die Abreise auf die lange Bank. Das Angewiesensein auf Wagner in amtlicher
Form, das Dienstverhältnis eines Gesellfchafters und Helfers waren ihm unheimlich. Er kannte
die Launenhaftigkeit und Reizbarkeit des Meisters zur Genüge und fürchtete für seinen Frieden,
wie er ihn zum eigenen Schaffen brauchte. Es ist ein Höhepunkt des Kampfes für seine Unabhängigkeit, wie er sich so beweglich in seinen Briefen und Tagebüchern kundgibt.
In dem Antwortschreiben an den König klingt etwas davon an. Eine gewisse Erregtheit ist
zu bemerken. Wie schwer es ihm wird, sein geliebtes Wien zu verlassen, verschweigt Cornelius nicht; wie denn der ganze Brief ein schönes Zeugnis ist für die Zutraulichkeit und Treuherzigkeit, mit der ein deutscher Künstler einem erhabenen König die Gefühle auseinandersetzt, die ihn bewegen. Und so dürfte er einer gewissen hiftorischen Bedeutung nicht ermangeln
und den Verehrern von Cornelius zur Freude gereichen.
Aus dem Kabinettsarchiv Ludwigs II.:
Ew. Majeftät!
Ich muß mir endlich ein Herz fallen und ein Wort von dem Dank an Ew. Majeftät richten,
von dem ich ein ganzes Buch, ja ein Liederbuch im Herzen habe. Lange Tage sind nun vergangen, seitdem mir mein edler, hochverehrter Freund und Meister die freudig erschütternde
Kunde sandte, daß Ew. Majeftät aus königlichem Willen mir in Kunst und Leben Förderung
und Sicherung verheißen. Das zu vernehmen verletzte mich so in einen Traum, ich konnte
mich gar nicht recht fallen, und noch heute, wo ich mich endlich zu diesen Worten ermutige,
bin ich in einer gewaltigen Aufregung. Vierzig Jahre fast bin ich alt geworden, auf wirren
Pfaden einem nur dämmernd mir vorschwebenden Ideal nachgegangen — der Weg des Künftlers
ist ein so ungewisser — ich wurde je mehr ich mich der Kunst weihte umso unbrauchbarer für
das Leben — die es am besten mit mir meinten, zweifelten und irrten an mir. Wie muß ich
es da nicht als eine Fügung Gottes, als eine Bejahung meines innersten Strebens ansehen und
preisen, daß Ew. Maj. mit einem so freundlichen Wort Ehre und Stolz meinem Leben verleihen, dessen irdisches Dasein der Welt fall unbrauchbar scheinen mußte, dessen einzig ersehnte künstlerifche Entwicklung aber, wie eine Blüte — Zeit, Licht, Wärme, Luft brauchte.
Das Wort Ew. Majeftät enthielt alle diefe belebenden Elemente. Aber als Ew. Maj. mit so segensreicher Hand unseren Meister an sich zogen, ihn mit einer Freundschaft hegten, deren
beseligende Wirkung nun aus jedem Wort seiner Briefe und gewiß noch inniger aus jedem
gesprochenen erklingt, als damals ein Schauer von Freude und Dank die Herzen aller seiner
Freunde durchdrang, da hatte ich schon so eine dunkle Ahnung, daß auch mein Geschick von
dem Gestirn des Meifters in die weiteren Kreise nachgezogen würde. Es war keine zudringliche begehrliche Hoffnung, die da in mir sprach; nein, es war sogar etwas Furcht bei der
Ahnung! Heute, wo mir das Glück zuteil wird, zu einem geweihten deutschen König reden
zu dürfen, und wo in der innersten Erregung Tränen wie das Feierkleid sind, was mein Gemüt dazu anlegt, darf ich Ew. Majeftät wohl sagen, es sind auch Abschiedstränen für Wien
darunter. Vor sechshalb Jahren kam ich hieher aus freier Selbftbestimmung künstlerischen
Wanderlebens, wo die Asche unserer großen Meister ruht — da dachte ich zu leben und zu
derben, da wurd’ ich freundlich aufgenommen — da hat nun eh man weiß wie, das Herz seine Arbeit getan, der Geist auch ein Stück — und eh man sich versieht ist das Nomadenzelt
faß zu einer Hütte geworden — da ist das Wandern schon ein Abreißen — ein Losreißen —
von wem? von der gottlos lieben lustigen Stadt — vom Stefansturm — von ein paar lieben
Menschen! Aber unter den Toten fand ich ja einen Lebenden — und so ist es recht so haben
Ew. Majestät ja das rechte Wort gesagt! An seiner Bruft und an seinem Arm will ich dann
froh sein, und so wird die schönfte Zeit erst noch kommen. Eine vornehme Freundin weissagte mir einst, ich würde mir einen Platz neben Wagner schaffen, wie Mehul nach Gluck.
Das habe ich auf mein Banner geschrieben — so möge denn München unser Paris sein!
Es ist schön, daß Ew. Majeftät auch einen Cornelius haben wollen! Ihr erhabener Großvater, von dessen Taten für die bildenden Künste die Steine vollauf des Lobes reden, rief
meinen großen Oheim dorthin, wo ja doch immer seine eigentlichfte Heimat geblieben ist.
Unter Ew. Majeftät hochseligem Vater erhielt mein Bruder Carl seinen Ruf als Historiker
an Ihre kgl. Universität und Akademie, und nun Ew. Majestät Ihr Herz neben allem Schönen
besonders dem unmittelbarften Anhauch des Ewigen, der göttlichen Mufik erfchloffen haben,
ift grade auch noch ein Cornelius da, ein ftotternder Dolmetfch dieser himmlifchen Muse, dem
aber Ew. Majeftät den Vorzug geben wollen, weil es schon fast ein Herkommen durch unvergeßlich kgl. Ahnherrn geworden ist.
Nicht nur das Zagen zu Ew. Majeftät zu reden, mußte ich überwinden, nein auch das
tiefere, das mich befallen wollte, einem so melodischen Ruf nur das zitternde Echo meines
Wesens bieten zu können, aber während ich diese Zeilen schrieb, stand ich im Geiste vor Ew.
Majeftät, und Sie waren so voll Huld und Güte, daß ich nun schon stolz und zuversichtlich
geworden bin, und mit heiterer Seele den Segen des Himmels für ein gedeihliches Wirken im
beglückenden Dienste Ew. Majeftät erflehe. Von der Stunde dieses Briefes an habe ich erst
im Herzen völlig von Wien Abschied genommen und nun braucht es nur noch kurze Zeit,
meine hiesigen Verhältniße zum Abschluß zu bringen um dann schon in der ersten Woche
November dem Rufe Ew. Majeftät und dem Wunsche meines Meisters und Freundes Folge
zu leisten.
Dann schlägt mir auch einmal die schöne feierliche Stunde wo ich an der Hand eines
Genius vor Ew. Majeftät treten darf. Er hat mich zu diesen Zeilen ermutigt, er wird mir
auch dann Mut machen.
Gott erhalte, segne und schütze Ew. Majestät!
Mit glühenden Wünschen für Ew. Majestät Ruhm und Heil widmet sich Ew. Majeftät mit
schwachen aber noch ungebrochenen Kräften Leibs und Geistes
Ew. Majeftät demuthsvoll
untertänigfter
Peter Cornelius.
Wien am 28. Oktober 1864.
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